Die Kilometer purzeln nur so

Wir beschließen für diesen Tag früher als sonst zu starten, um der erneut zu erwartenden Hitze etwas entkommen zu können. Um kurz nach halb sechs sind wir auf der Piste. Zum Frühstück gab's die zwei übrig gebliebenen Stück Pizza vom Vortag... ☺😅

Selbst um diese Uhrzeit sind die Temperaturen schon bei über 20 Grad. Der Sonne können wir die ersten beiden Stunden ganz gut entkommen, weil uns eine große Wolke sehr wohlgesonnen ist. 🙏 Wir sind sehr dankbar für diesen Schutz.
Am Morgen folgen wir für lange Zeit dem Flusslauf des Piave. Hier kann man noch einigermaßen die Aussicht auf den Fluss und die Wein- und Maisfelder genießen. 😆
Die Maisfelder werden in den frühen Morgenstunden noch besprenkelt und ich stelle mich einige Male sehr dankend unter den kalten Wasserstrahl zur Abkühlung. 😂
Nachdem wir dem Flusslauf den Rücken kehren, beginnt der härtere Teil der Etappe. Es geht überwiegend auf Forst- und Teerstraßen für den restlichen Tag dahin. Die strahlen sehr viel Wärme und Hitze ab. Schutz vor der prallen Sonne zu finden wird hier sehr schwierig. 😕😖
Ich bemerke, dass meine Waden immer mehr zu brennen anfangen und muss feststellen, dass sich da eine ziemlich böse Sonnenallergie gebildet hat. Zum Glück kann ich im nächsten Ort eine Apotheke finden und mir eine Creme zur hoffentlich Linderung besorgen. 😓
Die letzten 10 Kilometer legen wir im Speedy Gonzales Tempo zurück, wir brauchen keine zwei Stunden für die Strecke. Es ist unglaublich, wie viel Schweiß der Körper bilden kann. Es bilden sich sogar Rinnsale meine Beine hinunter. So sehr habe ich bei rein körperlicher Bewegung glaube ich noch nie geschwitzt. 😳😑
Über 5 Liter Wasser trinke ich bis mittags und das ist gefühlt immer noch zu wenig.
An der Unterkunft kommen wir schon um kurz vor 12 Uhr an, wir konnten der extremen Hitze tatsächlich entkommen. 👌 Aber die letzten beiden Stunden waren trotzdem ziemlich unangenehm, weil es einfach zu wenig Schatten zum Erholen gibt. 😖
An der Unterkunft kommen wir pitsch patsch nass an und brauchen erst mal eine Weile, um wieder abzukühlen. Dankbar sind wir um die Klimaanlage im Zimmer.
Das war definitiv zu viel Sonne heute, ich habe ziemliche Kopfschmerzen und meine Waden brennen wie feuern und sind auch dementsprechend gezeichnet. 😰😲
Zum Glück bekomme ich etwas Joghurt, den ich mir zur Linderung auf die Waden verteilen kann, die erste Wohltat des heutigen Tages. Eigentlich stände sogar ein Pool zur Verfügung, doch dazu müsste man wieder nach draußen in die Sonne und das ist mir definitiv zu anstrengend. 😅
Ich dusche den Nachmittag über regelmäßig kalt und versuche meine Füße zu kühlen. Die sind von der Hitze schon dauerhaft stark angeschwollen und passen fast nicht mehr in die Wanderschuhe. Folge sind natürlich einige Blasen, aber das kann ich verkraften. 😏
An diesem Nachmittag beschließe ich, die morgige Etappe nur zur Hälfte zu laufen. Es steht eine 32 Kilometer Etappe bevor und mit dieser Sonnenallergie ist es für mich nicht sinnvoll so lange Zeit in der prallen Sonne zu laufen. 😬
Mein Körper hat über die letzten Wochen so viel unglaubliches geleistet und ich möchte ihn nicht über seine Grenzen belasten. Die letzten Wochen habe ich einen so tollen Zugang zu meinem Körper gefunden und in vielen Weisen wieder richtig lieben gelernt und kann ihn auch wirklich wertschätzen. 💚 Und dafür springe ich morgen über meinen eigenen Schatten und Dickschädel und steige vernunfthalber in den Bus. ✌
Ich bin mir sicher, noch vor ein paar Monaten wäre ich mit dem Kopf durch die Wand gelaufen und wäre einfach so lange weitergegangen bis gar nichts mehr geht. 🙈 Aber ich merke, dass ich die Situation ganz gut so annehmen kann und bin sogar ein bisschen stolz auf mich. Dass ich nun eben nicht extrem enttäuscht bin und die letzten Wochen auch noch komplett negativ sehe. Man sollte immer das Beste aus negativen Situationen machen und so ist es eben auch in dieser! 😏
Weil unsere Unterkunft etwas ab vom Schuss liegt, dürfen wir am Abend noch auf den Drahtesel steigen und in den nächsten Ort zum Essen fahren. Ein Glück, dass die Unterkunft ein paar Fahrräder für die Wanderer bereithält. Nicht dran zu denken, wenn wir diese 6 Kilometer am Abend auch nochmal laufen müssten. 🙊
Ich kann zu Abend heute nur einen großen Salat essen. Die italienische Küche steht mir im Moment etwas an und ich fühle mich immer noch überhitzt, um viel zu essen. 😅
Um halb neun fallen mir heute schon die Augen zu, und das ist auch gut so. Morgen wollen wir um 4 Uhr starten, um nicht wieder zu lange in der Hitze laufen zu müssen...💪😅
Meine Gedanken sind heute lange Zeit bei dem Gletscherunglück der Dolomiten. Durfte ich doch diese Marmolata aus so vielen verschiedenen Perspektiven betrachten. Von 3000 Metern, beim Sonnenaufgang 🌄, zum Sonnenuntergang 🌅, die Vorder - und auch die Rückseite, viele Stunden in ihrem Schatten laufen. Und immer hat mich dieser Berg und der Gletscher fasziniert und beeindruckt. Mir war bewusst, dass wir wohl die letzte Generation sind, die auf diesem Berg überhaupt noch einen Gletscher zu Gesicht bekommt. 🙏😎
Aber auch mich schockiert dieses Unglück und macht mir nochmal erschreckend bewusst, wie fragil unsere Natur doch mittlerweile ist. 😧
Habe ich noch ein paar Tage zuvor überlegt auch dort mit der Bahn hinauf zu fahren und das Museum oben am Gipfel zu besichtigen. 😔
Mir wird nochmal sehr deutlich bewusst, wie dankbar man doch für alles sein sollte, was man erleben darf. Gerade wenn man bedenkt, wie schnell sich alles in einem Augenblick ändern kann und wie wenig Einfluss man manchmal darauf hat. 😪🙏
Umso mehr kann ich es nochmal wertschätzen, jetzt hier kurz vor Venedig angekommen zu sein und mir einen Traum erfüllen zu können. Und umso mehr kann ich es verkraften morgen Vernunft walten zu lassen und einen Teil nicht selbst zu laufen. 💕
So long
Euer sehr dankbares Henkyi 🙏💋