Traumtag wird zur Belastungsprobe

Um kurz nach 5 werde ich heute schon munter. Aber wir genießen die Zeit bis 6 Uhr, dass der Wecker klingelt.

Meine Sachen hab ich gestern schon fast ganz gepackt. Andi verabschiedet sich gleich, die Arbeit ruft. Es fällt mir schwer ihn fahren zu lassen. 🫨🥰

Hilft alles nichts. Ich genehmige mir noch schnell ein Frühstück und bin auch um halb sieben auf der Piste. Heute wirds warm und ich möchte einen großen Teil des Aufstiegs noch im Kühlen hinter mich bringen. 😏

Es geht natürlich meist durch kniehohes Gras, meine Schuhe sind sofort wieder getränkt. Die Zecken feiern es, dass ich sie mitnehme. Alle paar Minuten bleibe ich stehen und sehe nach ihnen. Zum Teil haben sie da schon gebissen, Wahnsinn. 😬 Zum Glück ist das am Anfang noch nicht schlimm.

Es geht munter hinab ins Tal. Einmal quere ich einen Bach und von hier an geht es bergauf. Immer schön durch den Wald. Wunderbare Morgenstimmung, Vogelgezwitscher, Ruhe, Sonne. Meine Gedanken hängen dem gestrigen Abend nach. Unseren Gesprächen, unserer Zeit. Ich merke, dass sich im Vergleich zu meiner letzten Wanderung viel geändert hat. Damals hatte ich noch das Gefühl alleine seine zu müssen. Diesmal merke ich mit jedem Tag mehr, dass ich gerne jemanden an meiner Seite hätte - Andi. 🥹🥰

Wir sehen uns nächste Woche Freitag wieder. Bis dahin werde ich das schon überstehen.

Ich sehe bei ca. 1100 Metern über Null eine Gams. Ganz ungewöhnlich auf dieser Höhe. Ich liebe es diese Tiere zu beobachten. ☺️

Vor mir liegt eine 600 Meter Wand. Ich finde ein gutes ökonomisches Tempo in dem ich mich nach oben arbeite. Sogar fast komplett im Schatten dank des frühen Aufbruchs. Auf Höhe des Ziereiner Sees komme ich heraus und lasse erst einmal die Aussicht wirken. 😎☀️🏔

Wo ein See, da dauert es nicht lange bis ich drin stehe. Es ist keine Menschenseele unterwegs. Also habe ich dieses Stück Natur grade für mich, sehr schön. 😍

Nach der Erfrischung mache ich mich weiter auf in Richtung Rofanspitze. Am Einstieg zum Schafsteig sehe ich ein Schild, das besagt, dass der Steig im Moment nicht gesichert ist. Ein Pärchen, das da auch hochwollte, beschließt sofort da nicht hochzugehen. Sie kennen den Weg. Ich rufe noch auf der Erfurter Hütte an, ob dieses Schild aktuell ist. Der Wirt dort bestätigt das und so steht auch mein Entschluss. Umweg laufen, auch wenn das 2,5 Stunden extra und einige zusätzliche Höhenmeter bedeutet. Mein Leben ist mir doch um einiges wichtiger. 😅☺️

Also ein Stück retour und Abzweig zur Bayreuther Hütte nehmen. Hier geht mir auch langsam mein Wasser aus. Der Weg zur Hütte liegt ziemlich in der Sonne, die mittlerweile schon eine ganz schöne Kraft hat. Mir wird bald klar, dass das noch ein Stück Arbeit bis zur Hütte wird. 🥵🫣

Auf der Hütte gönne ich mir erst mal was zu essen und ein alkoholfreies Weißbier. Die Wirtin versucht mich zu überzeugen, dass ich ja auch von dieser Seite noch zur Rofanspitze aufsteigen könnte. Ich sage ihr, dass ich in Steinberg gestartet bin und heute schon 1200 Höhenmeter gelaufen bin. Es ist halb eins und die Tour oben rum ist nochmal mit 4-5 Stunden angegeben. Mal abgesehen von den 800 Höhenmeter oben drauf. In meinen Augen hat die einen leichten Lattenschuss, wenn sie angeschlagene Wanderer, wie mich in dieser Situation zu sowas überreden will. Nur meine persönliche Einschätzung. 😅🤣

Einmal die Wasservorräte aufgefüllt und weiter geht's. Unten rum ist der Plan. Aber auch hier heißt es, dass der Weg wegen Steinschlaggefahr gesperrt ist. Hätte die Wirtin das nicht sagen können?!?!? 🤔😵‍💫

Naja wähle ich eine Variante zwischen unten und oben. Heißt auch noch einmal 500 Höhenmeter zusätzlich. Wie ich das schaffe, weiß ich tatsächlich selbst nicht. Die Füße laufen einfach und der Kopf ist ausgeschaltet. Es tut nicht mal sonderlich weh. Schnaufen muss ich wie ein Walross und zum Glück finde ich nochmal eine Quelle zum Wasser nachfüllen. 🙏😅

Irgendwann nach gefühlt endloser Quälerei komme ich dann doch oben am Kranzachjoch auf knapp 2000 Metern an. Ich bin so froh jetzt hier zu stehen!!! Unterwegs sehe ich sogar meine ersten Murmeltiere auf dieser Tour. Energie hab ich aber keine mehr die zu fotografieren. 🙄😬

Vom Joch an geht es fast nur noch abwärts bis zur Hütte. Die Gipfel wären nicht weit entfernt, aber ich tue mir die zusätzlichen Meter heute nicht mehr an.

Auf dem Weg zur Hütte treffe ich erstmals viele Wanderer - Touris - schlimmer noch!! Alles Bahnfahrer 🫨

Ich flitze zwischen vielen hindurch und bin heilfroh, als ich an der Hütte ankomme. 1740 Meter im Aufstieg, knapp 1000 im Abstieg und 23 km Wegstrecke habe ich heute hinter mich gebracht. So viele Höhenmeter bin ich bisher noch nie an einem Tag gelaufen. 😮‍💨🥵

Ein bisschen stolz bin ich schon. Bei Ankunft aber vor allem kaputt. Es ist 15 Uhr als ich ankomme und es wuselt nur so vor Touris. Also schnell in die Bettenlager flüchten. Es gibt sogar kostenlose kalte Duschen, Jackpot. 😎

Nach mir wird auch noch die Kleidung sauber gemacht. Ich checke noch die Zeiten der Gondel morgen...

Sonst verbringe ich die Zeit im Bett. Versuche die Muskulatur warm zu bekommen, zu dehnen und zu ruhen. ☺️😬🙃

Als der Körper runterfährt, tut mir jeder Knochen und Muskel weh. Aber als ich zum Essen gehe, werden die Schmerzen schon leichter. Das macht Hoffnung, dass ich mich morgen wieder bewegen kann. ☺️😋

Morgen wird ein schwieriger Tag. Es ist sehr viel Regen am Vormittag angesagt, was den Abstieg erschwert. Außerdem sind Gewitter angesagt. Mein Plan wird sein mit der Bahn ins Tal zu fahren und mit dem Bus den Weg nach Pertisau zurückzulegen. Ab da beginnt der Anstieg. Angeblich soll sich ab 10 Uhr ein 4 Stunden Fenster auftun in dem ich die 1000 Höhenmeter zu meiner nächsten Hütte zurücklegen kann. Ich hoffe das wird funktionieren. Zur Not gibt's oben am Joch wohl ne Schutzhütte, um was auszusitzen. 🤔😏😊

Ich hoffe, morgen klappt mal wieder ein Plan. Im Moment scheint hier einiges nicht so ganz glatt zu laufen. Mit meiner Entscheidung auf die Gipfel zu verzichten, kann ich gut leben. Irgendwo in einer Schlucht zu liegen und nie mehr auf nem Gipfel zu stehen, wäre um einiges schlimmer. Für mich war es so die einzige richtige Entscheidung. 🤓😎🏔🙏

Manchmal verlangen die Berge einem schon harte Kompromisse ab...

So long, Euer erledigtes Henkyi 💋💚